PGH HAWEGE 1959 bis 1971
Nach Kriegsende 1945 war es dringend notwendig, neben der Produktion von Lebensmitteln auch wieder Konsumgüter zu produzieren. So auch im Thüringer Wald. Hier war natürlich der Rohstoff Holz massenhaft vorhanden und so fertigten die kleinen Familienbetriebe vor allen Dingen Haus- und Küchengeräte aus dem heimischen Rohstoff. Dazu zählten Böttcherwaren, Küchenbretter, Holzgeschirr, Kleiderbügel, Quirle, Grillzangen sowie auch Dekorationsartikel.
Jeder kleine Familienbetrieb arbeitete für sich, was uneffektiv war. Die einzelnen Betriebe mussten Ware bestellen, den Verkauf organisieren und Abrechnungen verwalten. Man wollte Ende der 50er Jahre den Verwaltungsaufwand reduzieren und den Vertrieb der Waren konzentrieren. Es wurde die PGH HAWEGE (ProduktionsGenossenschaft des Handwerks HAndWEerksGEnossenschaft) gegründet. Es schlossen sich die vielen einzelnen kleinen Familienbetriebe zu einem großen Betrieb mit zentraler Verwaltung zusammen. Für den Hauptsitz der PGH HAWEGE musste nun noch ein geeignetes Gebäude samt Grundstück gefunden werden.
Am nordöstlichen Ende der kleinen Gemeinde Schönbrunn befand sich ein altes Sägewerk. Daneben stand das kleine Wohnhaus der betreibenden Familie. Die Grundmauern des Wohnhauses und ein „Abdruck“ des Daches am Giebel des HAWEGES Gebäudes findet man heute noch. Die Familie, die das Sägewerk betrieben hatte, beendete die Aktivitäten Ende der 50er Jahre und legte das Sägewerk still. Effektive Landwirtschafft war in den Tälern des Thüringer Waldes schlecht möglich. So war die Viehwirtschaft hier stärker vertreten. Auch hier schlossen sich die kleinen Familienbetriebe zu Landwirtschaftlichen-Produktion-Genossenschaften (LPG) zusammen. Eine LPG suchte für ihr Jungvieh einen Stall. Das Sägewerk wurde abgerissen und ein Jungrinderstall gebaut. Aber auch die Rinderproduktion im bergigen Gelände war rückläufig und so verkaufte dann die LPG den Stall und das Gelände an die neu gegründete PGH HAWEGE. Der Stall wurde aufgestockt und es entstand das zweistöckige Hauptgebäude der jungen Handwerksgenossenschaft. Dazu baute man noch ein kleines Verwaltungsgebäude und eine Doppelgarage für die Fahrzeuge.
1959 begann hier die Produktion von Modellbausätzen oder wie es damals hieß: Werkstoffpackungen. Im Hauptbetrieb wurden ab 1959 die ersten PGH HAWEGE Bausätze wie „Der neue Tilikum“, „Der neue Benjamin“, „Fliege“, „Schwalbe“ und „Specht“ produziert. Zum Anfang waren die Modelle aus Sperrholz und Kiefernleisten gebaut.
Wie nun die PGH HAWEGE neben den Küchenartikeln zum Modellbau kam, ist mir leider nicht genau bekannt. Einmal könnte der Ursprung eine Böttcherwerkstatt gewesen sein. Hier sollen auch schon vor dem Umzug in das neue Werksgebäude Modellbausätze produziert worden sein. Böttcherwaren wurden nicht mehr verkauft und so wechselte man dann zum komplett zum Modellbau. Es kann aber auch sein, dass eine in Schönbrunn ansässige Tischlerei der Ursprung war. Hier produzierte man feine Kiefernleisten für Modellbauer. Soweit ich weiß, war einer der Inhaber oder Söhne auch Modellbauer und konnte so seinen Modellbaufreunden mit Material helfen. Dies ist aber nicht mit Sicherheit bekannt. Auch kann ein Hans-Joachim Lehne eine Rolle gespielt haben. Er war derjenige, der zu den Modellbauern draußen auf den Flugplätzen Kontakt hatte und dann die „Bausätze“ ins Haus „holte“ und teilweise bearbeitete bzw. überarbeitete. Aber ob er schon ab 1959 mit dabei war, ist mir leider auch nicht bekannt. Auf jeden Fall spielte Hans-Joachim Lehne in der ganzen Geschichte der Modelbausatzfertigung eine entscheidende und wichtige Rolle. Er schrieb auch viele Begleithefte, die sehr lehrreich waren. Auch war der Aufwand sehr hoch, aus einem privat konstruierten Modell dann einen marktfähigen Bausatz zu erstellen. Seinen Namen findet man oft in den Bauanleitungen der Modellbausätze. Hier liest man dann: „Überarbeitet von…“ oder „..als Bausatz umgesetzt von…“.
Fast alle Modellbausätze waren Konstruktionen von DDR Modellbauern. Diese gaben dann ihre Unterlagen wie Baupläne und Bauanleitungen und auch fertig gebaute Muster nach Schönbrunn. Aus diesen Unterlagen wurde dann ein Bausatz entwickelt und ging in die Produktion. Die Konstrukteure bekamen eine Einmalzahlung. Als die wichtigsten Konstrukteure möchte ich nennen: Rolf Wille, Gerhard Böhme, Harald Yung, Günter Weber-Friedland, Joachim Löffler, Albrecht Oschatz, Ulrich Mayer, Heinz Köhler, S. Schulz, H. Kinne, Lothar Hennicke, Wolfram Metzner, Siegfried Bräuning und Karl Schulze. Mit 23 Modellkonstruktionen hebt sich Harald Yung hervor. Die Produktion der Modelle erfolgte ausschließlich im Hauptwerk. Einige der kleinen familiären Betriebe blieben dennoch bestehen. So hatte der Betrieb 1990 immer noch 16-17 Außenstellen (teileweise als Zulieferer für den Modellbau oder noch als Haushaltsgeräteproduzenten). Im Jahre 1971 wurde dann die PGH HAWEGE zum VEB MOBA.
VEB MOBA 1972 bis 1980
Eine Produktionsgenossenschaft (PGH) war in der DDR eine sozialistische Genossenschaft. Sie waren eine Alternative zu privaten Firmen. Diese privaten Firmen (kleine Handwerksbetriebe) schlossen sich zu einer PGH zusammen, um einmal gemeinschaftlich zu arbeiten und um ein Gemeineigentum zu bilden. Die Genossenschaften wurden sehr effektiv, was zu hohen Löhnen und anderen Vorteilen gegenüber den Industriearbeitern führte. Der Regierung war das ein Dorn im Auge und so „zwang“ man Ende der 60er Jahre die PGH vollständig in volkseigene Betriebe wandeln. Auch die PGH HAWEGE war von dieser Entwicklung betroffen und wurde 1971 zu einem volkseigenen Betrieb. Der volkseigene Betrieb MOdellbau und BAsteln wurde „geboren“.
Neben dem Namen wurde auch das Firmenlogo geändert. Anfänglich wurde nur das Wort „MOBA“ in Großbuchstaben auf die Bausätze und Baupläne gedruckt. Später dann kam das bekannte Logo mit dem Segelboot und Segelflugzeug hinzu. Schon fertige Erzeugnisse wurden mit einem Papieraufkleber versehen. Dieser überdeckte dann das alte PGH HAWEGE Logo. Links zu sehen: Das erste MOBA Logo. Es wurde so nur kurz verwendet. Rechts zu sehen das bekannte Logo mit Segelboot und Segelflugmodell. Beides sind Aufkleber aus Papier, die schon fertige HAWEGE Bausätze „umbenannten“.
Anfänglich wurde noch keine Logo verwendet. Nach dem Überkleben der HAWEGE Zeichen druckte man einefach „VEB MOBA“ auf die Verpackungen und Baupläne/Bauanleitungen. Erst später wurde das Logo mit dem Segler und Segelboot eingeführt und auch auf die Produkte gedruckt. Das Logo ähnelt dem Titelbild des GHG Kataloges. So liegt es nahe, das das Logo daher stammt. Das GHG Titelblatt zeigt jedoch ein Verkehrsflugzeug.
Im Produktionsablauf hat sich aber nichts geändert. Der Einkauf von qualitative gutem Holz war jedoch schwierig. Das Sperrholz wurde z.B. aus der Sowjetunion bezogen und hatte eine sehr schlechte Qualität. Später konnte man dann das dünne Sperrholz (1-2,5 mm) aus Finnland beziehen, welches von sehr guter Qualität war. Der Zuschnitt des Sperrholzes erfolgte in einer kleinen Werkstatt auf dem Werksgelände. Die Kiefernleisten wurden auf kleinen umgebauten Kreissägen per Hand geschnitten. Die geschah im Hauptgebäude im Erdgeschoss. In den 60er Jahren setzte sich das sehr leichte Balsaholz im Modellbau durch. Auch in Schönbrunn wechselte man dann auf dieses ideale Modellbauholz. Dieses Holz wurde jedoch in Eisfeld geschnitten. Auch dies geschah mit einer einfachen Kreissäge, wobei hier der Verschnitt bei über 100% war. Erst ab 1981 verfügte man hier über eine Dünnschnittgattersäge aus Österreich, dessen Einsatz dann zu erheblichen Materialeinsparungen führte. Die auf Maß gelieferten Balsabretter wurden dann in Schönbrunn bedruckt. Das Bedrucken der Bretter geschah per Hand an zwei Druckmaschinen. Die Matrizen waren aus Stahl. Einige wenige Teile wurden gefräst und man ersparte sich das Aussägen oder Ausschneiden per Hand. Die Qualität der gefrästen Teile war durchschnittlich gut, zumal es keine CAD Fräse war. Drehteile (Propellernaben oder auch Räder) wurden in Schmalkalden gedrechselt und als Fertigteile nach Schönbrunn geliefert. Auch die Kartonagen und Baupläne wurden in Fremdleistung produziert. Druckereien in Gotha und Bad Langensalza druckten die teilweise sehr großen Baupläne auf Bestellung. Anfänglich waren die Baupläne auf sehr dünnem Papier gedruckt. Dieses war einem Bespannpapier ähnlich. Die verwendete Druckerfarbe war blau. Später wechselte man auch auf Schwarz. Blau gedruckte Pläne gab es aber bis zum Schluss 1990. Warum man hier Blau verwendete, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht war schwarze Druckerfarbe knapp (benötigte man für den Zeitungsdruck) und so einigte man sich auf Blau. Sehr viele Kleinteile wie Schrauben, Antriebsgummi, Stahldrähte, Bleche, Räder und Werkzeuge etc. wurden in Heimarbeit gepackt. Sie wurden dann in das Hauptwerk geliefert und dort dem jeweiligen Bausatz beigelegt. Die Zusammenstellung der Bausätze und das Verpacken dieser in Kartons oder auch Kunststofftüten erfolgte dann in der 2. Etage. In diesem großen Raum standen dann zwei lange Tische, auf denen dann meistens Frauen die Bausätze packten. Es wurde immer in Serien produziert. Anzahl und Termin wurde mit der GHG in Leipzig (Großhandelsgesellschaft) jeweils Anfang des Jahres abgestimmt. Der VEB MOBA lieferte die Modellbausätze ausschließlich an die GHG, die diese dann an den Einzelhandel weiter gab.
Kleiner Katalog von 1966.
Bausätze aus der Anfangszeit (PGH HAWEGE) zeigen oft einen blauen Druck auf den Holzteilen. Später benutzte man schwarze Farbe. Warum gerade blau, kann ich nicht sagen.
Auch die Baupläne wurde teilweise mit blauer Farbe gedruckt. Im Gegensatz zu den Holzteilen geschah das aber bis zum Ende 1990.
Hier ein sehr alter Bauplan aus den Anfängen. Man benutzte ein sehr dünnes durchscheinendes Papier. Es ähnelt einem Bespannpapier.
Die Serien hatten je nach Modell und Bedarf eine Losgröße von 300-3000 Modellen. So bestellte man dann nach der Absprache mit der GHG und der innerbetrieblichen Planung zu den gegebenen Terminen das Holz, die Baupläne, das Zubehör und die Kartonagen. Dann wurde teilweise wochenlang nur ein Modell produziert. Es kam auch vor, dass bestimmte Serien zweimal pro Jahr aufgelegt wurden. Einige Teile der Modelle wie z.B. Motorhauben oder auch die Kabinenverglasung wurde aus Polystyrol oder ABS tiefgezogen. Später dann Ende der siebziger Jahre wurde dieser Werkstoff und die Technik des Tiefziehens verstärkt eingesetzt und einige Modelle aus Holz wurden auf Kunststoffteile umgestellt (z.B. Kajütmotorboot „Chris“). Anfang der 80er Jahre wurden dann auch mit modernen Verbundkunststoffen experimentiert. Diese kamen dann ab ca. 1985 zum Einsatz. Die Rümpfe der Modelle waren dann schon als „Fertigteil“ dem Bausatz beigelegt. Die Qualität dieser GfK (oder man nannte sie auch GUP) Teile war verglichen mit den heute erhältlichen Teilen nicht vergleichbar. Aber man muss hier die verfügbaren Ressourcen und beschränkten Möglichkeiten der damaligen Zeit im Auge behalten.
Aber es wurden nicht nur Modellbausätze in Schönbrunn gefertigt. Ein wesentliches Standbein war das Bauen von fertigen Schiffsmodellen für die Warno-Werft in Rostock/Warnemünde. Hier wurden ja die großen Handelsschiffe gefertigt und weltweit verkauft. Es war üblich, das die neue Rederei oder der Besitzer ein Modell von seinem neuen Schiff mit geschenkt bekam. Diese Modelle standen oft in den Eingangsbereichen der Redereigebäude oder in den Büros der Geschäftsführer. Ein Mitarbeiter der Warno-Werft fuhr noch vor Kiellegung mit sehr dicken Akten nach Schönbrunn. Hier wurden anhand der originalen Baupläne die Schiffsmodelle eigenhändig gebaut. Hier fertigten ca. 6 Mitarbeiter tagtäglich Schiffsmodelle. Der Bau der Modelle geschah zeitgleich mit dem Bau der Originale. Wurde was am großen Schiff geändert, musste oft das Modell auch geändert werden. Die Modellbauer waren etwas schneller. Das Modell musste ja termingerecht fertig werden und der Termin war oft vor der Übergabe des großen Schiffes an die Rederei. Geliefert wurden diese Modelle dann in extra angefertigten Glasvitrinen. Die Preise für so ein Modell erreichten sehr schnell die 50.000 Mark. Die gesamte Produktion der Schiffsmodelle stand unter der Leitung von Wolfgang Traut.
Weiterhin wurden in Schönbrunn Industrie- und Projektierungsmodelle gefertigt. So baute man z.B. maßstäbliche Modelle von Werkzeugmaschinen, die dann bei der Projektierung halfen, die Platzverhältnisse in den Werkstätten zu kontrollieren oder zu optimieren. Aber man gestaltete auch „Eisenbahnplatten“ nur eben ohne Schienen und Eisenbahn. So wurde ein Modell eines Braunkohletagebaus erstellt und für das Verkehrsmuseum in Dresden ein Modell eines Truppenübungsplatzes mit allen Leuten, Bauten und Fahrzeugen. Weiter gab es eine kleine Abteilung „Flugzeugmodellbau“. Die hier gebauten Flugmodelle flogen aber nicht. Es waren schwere aus Epoxidharz gegossene kleinere Modelle, Modelle von Flugzeugen des „Klassenfeindes“. Die Mitarbeiter bauten Modelle von der F-104 Starfighter, der F-4 Phantom, Alphajet usw. Diese Modelle wurden zu Schulungszwecken in den Offiziersschulen eingesetzt. Die zukünftigen Piloten mussten ja wissen, wie der „Feind“ ausschaut und zu erkennen ist. Durch das Fertigen dieser Modelle für das Militär war dann der VEB MOBA privilegiert. So konnte man nun das gute Sperrholz aus Finnland kaufen und musste sich nicht mehr mit dem russischen Sperrholz abgeben (jedenfalls das dünne bis 2,5 mm). Auch war so der Weg für neue moderne Materialien wie eben Kunststoffe und Gießharze frei.
In den 80er Jahren wurden diese Materialien vermehrt eingesetzt. Die Rümpfe einiger Flugmodelle wurden aus einem glasfaserverstärkten Kunststoff gefertigt. Die Qualität dieser Teile war aus heutiger Sicht miserabel. Damals waren sie aber heiß begehrt.
1980 übernahm der VEB Anker (größter Produzent von Spielwaren/Spielzeug der DDR) den VEB MOBA. Das Logo änderte sich wieder und auf den Verpackungen fand man nun den schwarzen Anker im Kreisring.
VEB Anker 1981 bis 1990
Nach der Übergabe des Betriebes in Schönbrunn an den VEB Anker in Eisfeld Ende 1980 wurde von der neuen Geschäftsleitung eine neue Mehrblattsäge für die Leistenproduktion bestellt. Diese Maschine kam aus der CSSR (Tschechisch-Slowakische Sozialistische Republik). Diese Maschine war viel zu groß und wurde nie eingesetzt. Hier zeigte sich, das die neue Geschäftsführung in Eisfeld keinerlei Einblick in die Produktionsprozesse in Schönbrunn hatte. Auch das Mitspracherecht der Mitarbeiter vor Ort war eingeschränkt.
Nach der Wende 1989 gingen die Verkaufszahlen sehr stark zurück. Die Modellbauer der DDR schauten nun in Richtung Westen und bekamen bei Graupner und Co. alles das, was das Herz begehrte. Auch die leitenden Angestellten des VEB MOBA (Anker) besuchten die Firma Graupner und waren wie wir alle damals sehr beeindruckt. 1990 wurde dann der Betrieb an zwei Holländer verkauft, die eine Spielzeugproduktion aufbauen wollten. Aber wie zu dieser Zeit sehr oft geschehen, wurden nur bewilligte Gelder „ausgegeben“ und nach kurzer Zeit der Betrieb geschlossen. Am 01.09.1991 war dann endgültig Schluss. Ca. 100 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Die Belegschaft musste den Betrieb besenrein übergeben. Der komplette Inhalt wurde in den Müll geworfen; alle Bausätze, Holzbestände, Unterlagen, Baupläne und Werkzeuge. Aus heutiger Sicht eine Schande, aber damals war das normal und auch nicht verwerflich. Wir selber wollten ja mit diesen Dingen nichts mehr zu tun haben. Aber heute erinnern wir uns gerne an die Zeit unserer Kindheit und Jugend zurück. Wir erinnern uns an die Modelle, die wir gebaut und geflogen haben.