Lothar Hennicke

Lothar Hennicke

Lothar Hennicke war mit einer der bekanntesten Modellflugzeugkonstrukteure der DDR. Seine Modelle belebten das Lieferprogramm des VEB Moba und letztendlich auch den Modellbau und Modellflug in den Modellsportgruppen. Sehr bekannt ist der Doppeldecker „Bulli“ nebst Schwimmer. Aus seiner Freiflugzeit stammt der „Drucki“. Auch schrieb er mehrere Bücher.

Auf der Suche nach Informationen über sein Leben bekam ich einen Leserbrief. Dieser Brief gefiel mir so gut, dass ich ihn als „Lebenslauf“ hier veröffentlichen möchte. Den Brief schrieb Thomas Stephan. Er verbrachte in seiner Jugend viel Zeit mit Lothar Hennicke und schätzte ihn als Mentor für den Flugmodellbau und sein späteres Hobby. Hier nun sein Brief:  

Lothar Hennicke

 

 

Ich habe Lothar Hennicke kennengelernt, als ich mit ca. 14 Jahren nach professioneller Unterstützung beim Bau von Flugmodellen suchte – zahlreiche Bauversuche waren bis dahin erfolglos geblieben. Mir war bekannt, dass Flugmodellbau im Rahmen der GST möglich war, mit der GST wollte ich aber eigentlich nichts zu tun haben. Letztlich führte daran aber kein Weg vorbei: Ich fand eine Modellfliegergruppe in unmittelbarer Nähe. Die Mitglieder trafen sich monatlich im Dieselmotorenwerk Leipzig. Jugendliche gab es hier nicht. Alle waren älter als 25.

Hier zu sehen sind die Modellflieger, die sich regelmäßig im Dieselmotorenwerk Leipzig trafen. Ganz rechts steht Lothar Hennicke, links neben ihm, das bin ich.

 

 

Gruppenfoto nach einem Flugtag. Lothar Hennicke ist der zweite von rechts.

 

 

Sonator
Auf dieser Buchseite (finnische Ausgabe LENNO KIT von Lothar Hennicke) sieht man mich mit dem selbst gebauten Junior)

Ich besuchte die „alten“ Herren und fragte nach, ob ich hier „mitmachen“ könnte. Die Modelflieger waren aber etwas ratlos, was sie mit mir als Jugendlichem anfangen sollten. Die in der DDR groß geschriebene und geförderte Jugendarbeit gab es hier leider nicht. Aber Lothar Hennicke erklärte sich bereit, mich „privat“ zu betreuen. Als Physik- und Werklehrer hatte er einerseits pädagogisches Erfahrung und andererseits nachmittags auch immer ‚mal Zeit für mich. Er wohnte ca. 6 km von mir entfernt in Leipzig-Wahren, eine Distanz, die ich mit Fahrrad gut bewältigen konnte.

Ich habe ihn dann 1-2 mal pro Woche besucht und ihm meine Baufortschritte gezeigt, er hat mir die nächsten Schritte genau erklärt. Auf diese Weise ist mein erster RC-Segler JUNIOR (CSSR-Bauplan) entstanden, zu sehen auf der finnischen Lizensausgabe von Hennickes Buch LENNO KIT.

 

 

Lothar Hennicke wurde 1923 geboren. Er wollte Pilot werden, was aber wegen seines eingeschränkten Sehvermögens nicht möglich war. Er war verheiratet mit einer Frau, die nach dem Krieg aus der CSSR vertrieben worden war. Sie sprach natürlich auch Tschechisch. Auch aus diesem Grunde mag er viel auf die CSSR gegeben haben: Er schätzte die wirtschaftliche Entwicklung der CSSR in den 70er Jahren als wesentlich besser ein, als die in der DDR. In der CSSR bekam man wesentlich mehr Modellbaumaterial, als hierzulande….Ich habe in der CSSR damals hervorragendes Bespannpapier gehamstert, meine ersten hochwertigen Modellbaunadeln gekauft und einen tollen Bausatz des SG 38 (Freiflugmodell). Freundschaftliche Beziehungen in die CSSR sind mir von Lothar Hennicke nicht bekannt.

Lothar Hennicke war mit Klaus Krick befreundet, der bis zu seinem Weggang in Leipzig gelebt und seine Firma dort aufgebaut hatte.

Klaus Krick hatte Leipzig wohl deshalb in Richtung Westen verlassen, weil die Zeichen für privates Unternehmertum in der DDR schlecht standen. Von Klaus Krick unterstütze Lothar Hennicke ein wenig, z.B. mit einer RC-Anlage von Conrad und mit dem ein oder anderen Bausatz (z.B. Grunau Baby). Auch der auf den Markt kommenden Sekundenkleber fand den Weg zu ihm. Für einen der Söhne von Klaus Krick hatte ich einmal eine Gitarre besorgt und Lothar Hennicke hat sie, aufwändig verpackt, in den Westen geschickt. Als Dank dafür erhielt ich einen Krick-Baukasten, den Seglers HELIOS (2200mm Spannweite). Das war ganz toll, einmal einen Baukasten in hoher Qualität unter die Finger zu bekommen.

Buch 2

Lothar Hennicke hatte zwei Bücher geschrieben, das erste FUNKFERNGESTEUERTE FLUGMODELLE von ca. 1970 und dann ein paar Jahre später, weil eine Nachauflage nicht möglich war (Papiermangel?) das Büchlein „RC-Flugmodelle und RC-Modellflug“. Mit dem Büchlein war er selbst wenig zufrieden, weil es eben viel zu schmal ausfiel im Vergleich zu seinem ersten Buch. Auch das Titelbild hatte mit ihm oder unserer Modellfluggruppe gar nichts zu tun….

Lothar Hennicke hatte sich meines Wissens oft auch auf Karl-Heinz Denzins BAUEN UND FLIEGEN VON FLUGMODELLEN bezogen.

Buch 1

 

 

Überhaupt sah man sich in unserer Modellfluggruppe praktisch auf westliche Unterstützung angewiesen – bereits bei meinem ersten Besuch in der Modellfliegergruppe wurde ich vom Vorsitzenden gefragt, ob ich westliche Verwandtschaft hätte. Ich ahnte Schlimmes, weil ich mich im Rahmen der GST im politisch genormten Rahmen wähnte. Als ich dann herumdruckste und Andeutungen von einem Onkel in Duisburg machte, sagte der Vorsitzende: „Gut, da kannst du bei uns mitmachen“ – und alle Männer lachten wissend. Ich war verdutzt und dann erleichtert.

Lothar Hennicke war ein sehr genauer Modellbauer, eher Perfektionist. Er hat auch etliche Modelle konstruiert (z.B. Stromer, Funkstromer, Bulli und die Schwimmer). Ein guter Pilot war er weniger, vielleicht auch wegen seines eher schlechten Sehvermögens?

Auf jeden Fall hat er mir beigebracht, einen Bauplan zu lesen und sauber zu bauen. Und er hat immer wieder für mich Zeit gehabt, hat mich, als ich noch kein Moped hatte, am Wochenende in seinem Trabi auf den Flugplatz nach Leipzig-Taucha  mitgenommen. Mit dem Fahrrad wäre es für mich zu weit gewesen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar.

Wann er gestorben ist, weiß ich nicht mehr genau. Ich denke, es könnte ca. 2005 gewesen sein. Er hatte seine letzten Jahre mit schwerer Krankheit zu kämpfen. Er ist in Leipzig-Wahren beerdigt worden.

Ich hatte noch lange Kontakt zu seiner Frau, einer humorvollen, interessierten Frau. Sie starb vor ca. 5 Jahren in einem Pflegeheim in Berlin. Kinder hatten sie leider nicht. So sind jegliche Beziehungen zu den Hennickes zu Ende gegangen.

 

 

Thomas Stephan