Weihnachten 1975

Es war Heilig Abend Weihnachten 1975. Mein Bruder und ich mussten uns ins Kinderzimmer begeben, denn der „Weihnachtsmann“ kam. Der Weihnachtsmann war mein Vater, der alle Geschenke unter den Baum legte, die Kerzen anzündete und die Musik startete. Ja, der Heilige Abend wurde bei uns wirklich sinnlich, ruhig und gut bürgerlich gefeiert. Der Baum hatte echte Kerzen, nur silbernen Schmuck, wir mussten gute Kleidung tragen (mein Vater trug einen Anzug mit Krawatte), der Tisch hatte ein weißes Tuch und das silberne Besteck lag ordentlich platziert auf dem Tisch. In der Küche köchelte der blaue Karpfen und endlich rief der „Weihnachtsmann“: „Ihr könnte kommen!“. Mein Bruder und ich waren jedes Jahr sehr aufgeregt und sehr gespannt, was es nun für Geschenke zu Weihnachten gab. So standen wir nun vor der Wohnzimmertür und öffneten diese vorsichtig. Zuerst spürten wir die Wärme, die von den vielen Kerzen im Raum ausging. Aus dem Plattenspieler tönte der Dresdner Kreuzchor. Die Wohnstube sah immer irgendwie anders aus, gar nicht mehr wie eben gewohnt. Dunkelheit aber doch so viel Licht, warmes Kerzenlicht. Den gemischten Duft aus brennenden Kerzen und Nadelbaum habe ich heute noch in meiner Nase. Wir wünschten uns eine Frohe Weihnacht, das musste schnell gehen, denn wir wollten ja zum Baum bzw. zu dem, was darunter lag. Im Kerzenschein lagen da dann nun Kartons und Tüten mit Bildern von Modellflugzeugen drauf. Dieser Anblick beeindruckte mich sehr. Flugzeuge-Modellflugzeuge? Heute würde ich sagen: „Geil!“. Aber dieses Wort kannte ich damals noch nicht und was ich letztendlich dazu sagte, ich weiß es nicht mehr. Aber dieses Bild habe ich noch heute im Kopf, fotografisch gespeichert. Unter dem Weihnachtsbaum lag der „riesige“ Karton des L-60 „Brigadyr“. Eines der damals größten und formschönsten Flugmodelle. Dann noch Bausätze von Segelflugzeugen, „Pionier“ und 2 mal „Bamby“, ein Fesselflugmodell „Silberpfeil“ und der passende 1,76 ccm Modellmotor. Dieser Tag war für mich der Start Modellbauer und Modellflieger zu werden. Das wusste ich aber an diesem Abend noch nicht. Es war üblich, dass wir alle Geschenke am Heiligen Abend begutachten mussten und auch schon damit spielten. Das zog sich dann bis wirklich spät in die Nacht hinein. Spielen war hier nicht möglich, aber auspacken, gucken, probieren, sortieren, verstehen, alles vorbereiten für den nächsten Tag. Denn da wollten wir das natürlich alles bauen. Was sich mein Vater bei dieser Weihnachtsmann-Aktion so gedacht hat, kann ich nicht sagen. Ich denke, er wollte uns damit auf einen richtigen Weg bringen, handwerklich geschickt zu werden oder er hatte „eigene“ Interessen daran. Heute sage ich, es war das erstere. Meine Mutter konnte an diesem Abend noch nicht vorausahnen, was sie erwarten wird. Ein paar Jahre später kämpfte sie dann mit Unmengen an Balsastaub und Holzspänen, „gut“ riechenden Nitrolacken (in der Luft und auf dem Fussboden), sowie Klebstoffen und anderen Modellbau-Materialien. Bemerkt sei hier, dass wir in einer Neubauwohnung wohnten.

Am nächsten Tag begannen wir noch im Schlafzeug gekleidet an zu basteln. Mein Bruder und ich bauten jeweils den Segler „Bamby“. Mein Vater half uns dabei und die ersten Holzspäne landeten auf dem Wohnzimmerteppich. Mein Vater bauten den „großen“ Pionier, ein Segler mit 1200 mm Spannweite. Man war der groß! Ich sehe noch den Wohnzimmertisch vor mir: voll mit Holzteilen, Werkzeugen, Klebstoffen und natürlich auch voll mit Spänen und Staub. Wir lernten den Umgang mit Laubsäge, Feile, Schleifpapier, Bespannpapier und Spannlack. Später dann baute mein Vater den Fesselflieger Silberpfeil. Den Motor versuchte er dann im Schuppen zu starten, stundenlang. Das einzige was ich da mal gehört hatte, war ein 2 sekundenlanges Knattern. Wir waren dann auch mal mit diesem Modell auf dem Sportplatz. Geflogen ist er nie. Bamby, Pionier und Silberpfeil waren nun gebaut und flogen auch (ausgenommen der Silberpfeil).

Der von meinem Vater gebaute aber nie geflogene Silberpfeil. es war ein Fesselflugmodell.
Diesen Doppledecker "Bulli" baute ich mit ca. 15 Jahren. Das war 1982. Geflogen ist er dann aber erst 1991, nachdem ich Motoren und eine Fernsteuerung kaufen konnte.
Auch diesen Segler mit namen "Corvus" habe ich Anfang der 80er Jahre Zeit gebaut. Auch er flog erst nach 1990.

Nun war da aber noch dieser riesige Modellbaukasten für den L-60 „Brigadyr“. Diesen Kasten habe ich unzählige Male aufgemacht, den Bauplan studiert, die Teile begutachtet. Ich habe damals nichts davon verstanden. Dieser Bausatz war einfach eine Nummer zu groß und kompliziert für einen 8 jährigen. Auch Jahre später scheiterte der Versuch, dieses Modell auch nur ansatzweise zu bauen. Irgendwann war dann dieser Bausatz verschwunden. Wir nutzen das Holz aus dieser Kiste für anderen Dinge und so nach und nach war dann vom L-60 „Brigadyr“ Baukasten nicht mal mehr der Karton übrig. Auch mein Vater hatte über die Jahre kein Interesse an diesem Bausatz gezeigt.

 

Es folgten dann ab 1975 die Gummimotormodelle, später dann die großen Segler und Motorflieger. Diese sind aber nie geflogen, denn Motoren oder gar eine Fernsteuerung hatte ich nicht. Erst nach der Wende 1989 konnte ich den Bulli und die Corvus mit einer Fernsteuerung ausrüsten und flog beide nach so vielen Jahren des Wartens.